Worte der Woche: „Roland Koch zum Abschied“
Es war wohl die Nachricht der Woche: Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zog seinen Hut und verkündete seinen Ausstieg aus seinem Amt und der Politik. Damit hatte keiner gerechnet. Umso größer war der Überraschungseffekt. Da verblassten doch glatt News rund um Oderhochwasser, europäische Staatskrisen und die deutsche Nationalmannschaft. Roland Koch dürfte dieses Aufsehen nicht ungelegen gekommen sein. Er ging mit einem lauten Knall, aber er ging auch würdevoll.
Ich hatte zwar immer gedacht, dass man ihn irgendwann noch einmal von einem Wahlplakat zur Bundestagswahl gekünstelt herunterlächeln sieht. Aber daraus wird nichts mehr. Nicht unbedingt leider, dafür reicht meine Koch-Sympathie einfach nicht aus. Wir werden sehen: Das Ausscheiden Kochs hinterlässt ein Loch, egal ob bei CDU-Wählern oder bei seinen Gegnern. Denn wer CDU-Abhänger ist, ist meist auch ein großer Koch-Fan. Und wer gegen die Christdemokraten war, sah in Koch einen Grund mehr, diese Partei zu hassen und sie nicht zu wählen. Was aber bleibt nun, da er beschlossen hat, die große politische Bühne zu verlassen? Mit dieser Frage befasst sich Eckhard Fuhr in seinem Kommentar „Eine Milbe ist kein Kuscheltier“ in der „Welt“. Er tut das auf ehrrlich erfrischende Weise, wie Sie lesen möchten.
Hier sind meine persönlichen Worte der Woche:
„,Politik ist nicht mein Leben’, sagte Roland Koch als er ankündigte, sich aus derselben zurück zu ziehen. Darf ein Politiker sein Publikum so enttäuschen? Von Roland Koch hätte man nicht erwartet, dass er die politische Bühne lebend verlässt. Bestimmt hat er schon als Krabbelkind seinen Vater beim politischen Geschäft beobachtet, war der kleine Roland doch mitten ins Herz der hessischen CDU hineingeboren worden, von deren illegalen Kriegskassen er später nichts gewusst haben will und über die er ,brutalstmögliche Aufklärung’ versprach, was ihn immerhin als Wortschöpfer unsterblich macht.
Will der Politik-Junkie jetzt wirklich clean werden? Er sah als junger Mann exakt so aus, wie sich die Linken seiner Alterskohorte einen Junge-Union-Karrieristen vorstellten: mit Aktenköfferchen, von Akne entstellt, alle weiblichen Wesen vor ihm in panischer Flucht. Es mag Anfang 1999 gewesen sein - Rot-Grün in Bonn wohnte medial der Zauber des Anfangs inne, Schröder und Fischer, die beiden Rabauken von einst, posierten in Maßanzügen mit teuren Zigarren und Rotweinen -, als ein bekannter PR-Berater in vertrauter Runde seine Einschätzung zum besten gab, dass die Aufgabe, Roland Koch ein sympathisches Image zu verschaffen, ungefähr so schwierig sei wie eine Milbe als Kuscheltier zu verkaufen.
Es blieb ihm gar nichts anderes übrig, als die Rolle des Dirty Harry der deutschen Politik zu übernehmen. Die spielte er mit Bravour. Um der Macht willen scheute er sich nicht, auch die niederen Instinkte der Wähler anzusprechen. Ins Ministerpräsidentenamt kämpfte er sich im Frühjahr 1999 mit einer Kampagne gegen den ,Doppelpass’. Zu den Unterschriftenständen der CDU kamen viele Leute, weil sie meinten, sie könnten hier ,gegen Ausländer’ unterschreiben. Es ist nichts davon bekannt, dass die örtlichen Parteikräfte an der Beseitigung dieses Irrtums gearbeitet hätten.
Was bedeutet es, dass er aufhört? Wenn es stimmt, dass Politik nicht sein Leben ist, macht ihn das sympathisch. Ein Politiker, der in wohlverstandener Selbstfürsorge auf die Macht verzichtet, das wäre eine Bereicherung für die politische Kultur. Die andere denkbare Erklärung für seinen Rückzug könnte darin liegen, dass der Vollblutpolitiker Koch eine eher bittere Bilanz gezogen hat: Er ist am Ende der Stallgasse angekommen und wird mit großer Wahrscheinlichkeit bei der nächsten hessischen Wahl abgewählt.
Was einen Politiker im Innersten bewegt, muss letztlich sein Geheimnis bleiben. Wir haben ihn nach Tat und Wirkung zu beurteilen. Und da kommt man schnell darauf, dass Roland Koch bald fehlen wird. Er hatte die Funktion des Strandläufers am breiten Strom der Schröderschen oder Merkelschen Neuen Mitte, der aufsammelt, was dort angespült wird und es zurück wirft, wo es dann mehr oder weniger hohe Wellen schlägt. Heute betrachten nicht einmal Grüne mehr die doppelte Staatsbürgerschaft als Zaubermittel der Integration. Jugendgewalt, ob ausländisch oder nicht, ist kein Tabuthema mehr. So könnte man seine Rolle positiv beschreiben. Aber auch wer ihm nicht zugestehen will, dass er manchmal doch Recht hatte, wird Koch vermissen. Er war für viele der leibhaftige Grund dafür, dass es niemals in Frage kam, CDU zu wählen. Wenn er geht, verschwindet diese Sicherheit im Leben und es wird noch unübersichtlicher.“
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